Vulkangruppe legt Telsa-Werk lahm

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Wann waren die Guten und die Tapferen je in der Mehrheit?

Henry David Thoreau, A Plea for Captain John Brown

 

Ob Eyjafjallajökull, Grimsvötn oder Hekla – Vulkane gehören zu den wohl spektakulärsten Naturerscheinungen unseres Planeten. Sie stehen für eruptive Veränderung, für Tod und Teufel speiende und alles überziehende Glut. Sie stehen aber auch für die Hoffnung, das reinigende Feuer und den Phönix des Neubeginns.

Ein Brandanschlag der Vulkangruppe auf einen Strommast hat am Vortag des Weltfrauentages 2024 die symbolisch für das Patriarchat und den Kapitalismus Pate stehende Tesla-Fabrik in Grünheide lahmgelegt. Der zeitgenössische Aktivismus hat offenbar einen neuen und ungewohnt radikalen Player. Im Bekennerschreiben der Gruppe heißt es:

„(…) Am Vorabend des 8ten März haben wir deshalb ein Leuchtfeuer gegen Kapital, Patriarchat, Kolonialismus und Tesla entzündet. Der fortwährenden Vergewaltigung der Erde begegnen wir mit Sabotage. Die Ideologie eines grenzenlosen ökonomischen Wachstums und ein auf Zerstörung basierender Fortschrittsglaube sind an ihrem Ende angekommen.“ (Zitiert aus dem Bekennerschreiben der Aktivistengruppe: https://de.indymedia.org/node/344525)

Der Text der Vulkangruppe ist eine unmissverständliche Ansage und in den Augen vieler empörter Bürgerinnen und Bürger des Landes offenbar eine Art starker Tobak. Ich selber wartete allerdings seit längerem darauf, dass sich die ökologische, antikapitalistische Bewegung radikalisiert. Schön, dass es noch Menschen mit so viel Esprit und Courage gibt, dass sie solch unangenehmen Figuren wie einem Elon Musk einmal auf die Füße treten. Wobei das Problem nicht die Person eines Musk, sondern eine Gesellschaftsform ist, die es solchen Leuten erlaubt durch unverschämte Anhäufung von (materiellem) Reichtum auf so unheilvolle Weise den Lauf der Geschichte zu behindern. Und das sage ich nicht im Zorn, sondern in Hinblick auf die außerordentlichen Anforderungen, die die ökologische Frage an uns stellt. Eine Frage, die wir als Gesellschaft endlich ernsthafter in den Blick nehmen müssen, um den schnellen und radikalen Umbau unserer Konsumweisen anzugehen.

Der Schaden der Sabotage beträgt nach Aussage von Telsa hunderte Millionen Euro und ist somit wohl der bisher teuerste linksmilitante Anschlag in Deutschland. Dabei gibt es die Vulkangruppe offenbar bereits seit 2011, sie hatte – ohne dass darüber breiter in den Medien berichtet wurde – immer wieder an neuronalen Punkten die Infrastruktur unserer Gesellschaft sabotiert. Jetzt sind sie zum ersten mal prominenter in den Medien in Erscheinung getreten. Elon Musk schrieb zu dem Anschlag auf Twitter beziehungsweise X: »Die Produktion von Elektrofahrzeugen anstelle von Fahrzeugen mit fossilen Brennstoffen zu stoppen, ist extrem dumm«. Das Statement von Musk zeigt, wie weit er davon entfernt ist zu verstehen, wovon bei dem Sabotageakt eigentlich die Rede ist. Das ist auch nicht zu erwarten; zu weit auseinander liegen Welt und Menschenbild der sich diametral entgegen liegenden Positionen.

Wann sind wir eigentlich zu einer Gesellschaft geworden, die jedwede Form von Gewalt kategorisch ablehnt, während unsere invasive Lebensweise überall auf der Welt immer mehr Gewalt hervorbringt? Warum machen wir keinen Unterschied zwischen Gewalt gegen Dinge als Form des Protestes und Gewalt gegen lebendige Wesen? Warum setzen wir die Gewalt unserer Protestformen so wenig ins Verhältnis zu der Gewalt, die unser Konsum alltäglich produziert? Sind uns unsere ethischen Verhältnismäßigkeiten völlig abhanden gekommen oder lebt in der Gesellschaft doch mehr moralisches Bewusstsein als es sich uns in den konventionellen und staatlichen Medien meist dargestellt und oft suggeriert wird?

 

Fight the Power!